Seit Erfindung der Kochkunst essen die Menschen doppelt so viel wie die Natur verlangt. 

Benjamin Franklin 

Und jetzt stelle man sich einfach mal vor, zu welcher Potenz die „Mixkunst“ geführt hat. 

Und wieder die Frage nach der Henne und dem Ei. In diesem Fall allerdings lässt sie sich eindeutig beantworten: Lange, bevor die erste American Bar ihre Türen öffnete, tranken die Menschen das, was wir heute im weiteren Sinne als Cocktail bezeichnen, nämlich alkoholische Mischgetränke (hier1 ein interessanter Beitrag über die Entstehung des Cocktails).

Die Entwicklung des Cocktails, so wie wir ihn heute kennen, ging dann allerdings Hand in Hand mit der Entwicklung der American Bar oder, wie wir heute sagen, der Cocktail-Bar. Die American Bar ist entstanden im Verlaufe des 19. Jahrhunderts in Nordamerika. Reisen dauerten damals teils Tage und so etablierte sich die Cocktail-Bar als Ort zum Verweilen und Verschnaufen zwischen den Reiseetappen. Der Begriff American Bar wird dabei hauptsächlich außerhalb der USA verwendet und wurde bekannt durch Charles Schumann´s gleichnamigen Klassiker2 der Barliteratur.

Diese Orte des kultivierten Trinkens wandelten sich im Laufe der Zeit und waren immer auch ein Spiegel ihrer jeweiligen Epoche. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die Speakeasy-Bars, die während der Prohibition in den USA aus der „Not“ heraus entstanden sind. Elemente dieses Bartyps haben sich bis heute gehalten bzw sind wieder in Mode gekommen.3 Ein anderes Beispiel sind die Bars und die Cocktail-Kultur der 80er Jahre: auch wenn die Drinks aus dieser Zeit optisch ziemlich bunt waren, kann man diese Dekade aus mixologischer Sicht eher als dunkle Epoche bezeichnen, ging es doch beim Zusammenschütten vieler Säfte eher um das Verstecken des – zumeist nicht sehr hochwertigen – Alkohols denn um das Betonen bestimmter Geschmacksprofile. Seit den 2000er Jahren erlebte die Cocktail-Welt in Europa eine neue Blütezeit. Es entstanden unzählige, gut durchdachte und hochwertige Cocktail-Bars (hier4 eine kleine Liste preisgekrönter Bars). Die verwendeten Zutaten wurden immer ausgefallener und die Methoden zur Vorbereitung der Drinks immer aufwendiger, wobei man hier beispielsweise das Cold-Drip-Verfahren5 oder Infusionen6 als Techniken anführen könnte. Der Kreativität waren keine Grenzen mehr gesetzt und jede halbwegs ernst zu nehmende Bar wartete mit eigenen Signature-Drinks auf. Genau genommen handelte es sich bei diesen zumeist um mehr oder weniger gelungene Twists lange etablierter Klassiker.7 Parallel dazu entwickelte sich auch der Konsument weiter zu einem wertschätzenden, gebildeten Cocktail-Trinker. Diese schöne Symbiose aus Qualität und Wertschätzung prägte die aktuelle Cocktail-Kultur in Europa und sie trug viele Früchte, die sich in geselligen, unvergesslichen Abenden manifestierte.

1 https://mixology.eu/geschichte-des-cocktails-serie-armin-zimmermann-ursprung-bitters/

2 https://schumanns.de/de/american-bar.html

3 https://www.sueddeutsche.de/wissen/geschichte-speakeasies-wieder-beliebte-bars-in-new-york-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200115-99-480769

4 https://awards.mixology.eu/

5 https://www.schweppes.de/mixen/themen/cold-drip

6 https://www.youtube.com/watch?v=I4yFcHxxn5Q

7 https://www.eyeforspirits.com/Download/Cocktails-kreieren-Vorschau.pdf